Europa in der Flüchtlingskrise


Wenn man die europäische Idee nicht nur als Jux empfindet, sondern als eine akzeptable Lösung für diesen Teil der Menschheitsgeschichte, die jahrhundertelang unter allen nur denkbaren Irrungen und Wirrungen gelebt wurde, dann kann man an der derzeitigen Situation schier verzweifeln.


Ausgelöst durch die Kriege im nahen Osten und die sogenannten Revolutionen in Afrika, Entwicklungen, die fast eine Kopie der Zustände im Europa der vergangenen Jahrhunderte sind, hat sich eine Flüchtlingswelle in Bewegung gesetzt, die kaum noch zu beherrschen ist. Kann man diese Länder, die ein paar Jahre später die gleichen Fehler machen, die auch in Europa gemacht wurden, verurteilen? Wobei die Frage der Mitschuld der sogenannten westlichen Welt an dieser Situation, von der Europa ein großer Teil ist, noch zu klären wäre. Ob dabei die Waffenlieferungen mit der Begründung der Erhaltung der Arbeitsplätze für diese Industrie oder der Drang nach Zugang zu wertvollen Rohstoffen die größere Rolle spielt, ist unerheblich, letztendlich spielt auch noch die überhebliche Grundhaltung der Kolonisation mit.


Die wenigen Errungenschaften in Europa, wie eine einheitliche Währung oder die Beseitigung der Grenzen durch das Schengen-Abkommen werden von Ewiggestrigen bei der ersten wirklichen Bewährungsprobe sofort zur Diskussion gestellt. Natürlich zeigen sich in der Bedrängnis auch die handwerklichen Fehler, die sowohl bei der Währung, als auch beim Schengen-Abkommen gemacht wurden. Aber diese als Grund zu nehmen, die Gesamtkonstruktion infrage zu stellen, zeugt von einem Kleingeist, wie man ihn sich nicht schlimmer vorstellen kann. Dass in Deutschland bis auf ein paar populistische AFD- und Pediga- Anhänger und die rechten Ecken der CDU und CSU eher realistisch mit dem Problem umgegangen wird, lässt sich leicht aus der Geschichte erklären. Jahrhundertelang war Deutschland ein einziger Flickenteppich von Klein- und Kleinststaaten mit Zollschranken an jeder Ecke. Die Nationalstaaten wie Frankreich und England haben diese Erfahrung nicht gemacht. Hinzu kommt noch die Erinnerungen an die Ereignisse des Krieges, die von vielen heute noch Lebenden nicht nur Erinnerung, sondern Erlebtes sind. Über die Schuldfrage an dieses Fiasko kann man trefflich streiten. Eines ist sicher: Die heute noch Lebenden haben mit Sicherheit keine persönliche Schuld, sie waren zu der Zeit noch Kinder, also auch Opfer.


Wundert es da, dass diese Generation großes Verständnis für die Nöte der Menschen aufbringt, die heute in Kriegswirren Opfer sind und versuchen, nicht nur bessere Lebensverhältnisse zu erlangen, sondern auch das nackte Leben zu retten. Das immer wieder vorgebrachte Argument, Deutschland würde sich in Europa isolieren mit seinem Verhalten gegenüber den Flüchtlingen, ist zynisch und überhaupt nicht zu akzeptieren. Muss man einen als richtig erkannten Weg verlassen, nur weil alle Anderen aus reinem Egoismus den falschen Weg beschreiten?


Sind also alle Bedenken gegenüber der Flüchtlingssituation gegenstandslos? Natürlich nicht!


Das Hauptproblem ist darin zu sehen, dass eine geordnete Zuwanderung nicht stattgefunden hat. Das Europa von Schengen bräuchte eigentlich eine vernünftige Sicherung der Außengrenze. Da wurden blauäugig Fehler gemacht, auch von Deutschland, man wähnte sich als Binnenland von nur Europa-Ländern umgeben, für dieses Problem nicht zuständig. Dass es Politiker gibt, die argumentieren, Deutschland bräuchte keine Flüchtlinge aufzunehmen, weil alle aus den umliegenden Schengenstaaten, also „sicheren Drittstaaten“ kommen, ist entweder bösartig oder hat das System nicht verstanden. Die Unfähigkeit, die Flüchtlinge zu registrieren und geordnet aufzunehmen, hat auch mit der Unfähigkeit des Beamtensystems zu tun, das in 80 Jahren der relativen Ruhe satt und unbeweglich geworden ist. Es muss betont werden, das System funktioniert nicht, jeder einzelne Beamte arbeitet zum Teil über das Maß seiner Kräfte, und verzweifelt auch am System. Dass es in unserer Zeit noch keine bundesweit funktionierende Datenerfassung, auch zum Abgleich von Ungereimtheiten, gibt, ist ein schwerwiegendes Versäumnis. Hoffnung macht in diesem Zusammenhang das Engagement der freiwilligen Helfer, die übrigens im Gegensatz zu ihren Politikern, regional nicht unterschiedlich, überall entschlossen und beherzt, dazu völlig unbürokratisch, ihre Hilfe angeboten haben und notwendigerweise auch eingesetzt wurden. Da zeigt sich die wahre Meinung des Volkes, nicht in den, in Talkshows, behaupteten Problemen.




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