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Herkunft der Familie

Im südöstlichen Saarland kommt der Familienname Stolz relativ häufig vor. Alle Namensträger aus diesem Bereich stammen, von wenigen, nicht nachgewiesenen Fällen abgesehen, von einem einzigen Mann ab:

Erasmus Stolz, Auswanderer aus Tirol

geboren am 31. Mai 1681 in Maurn in Tirol,

gestorben am 17. September 1743 in Hassel

Dieser Erasmus Stolz stand im Januar 1703 am Totenbett seines Vaters Martin (November 1649 - Januar 1703) und musste mit ansehen, dass sein Elternhaus nach dem Tode des Vaters verkauft wurde. Er hatte noch eine Schwester namens Gertrud (14.3.1678 - ?), die in St. Kathrein (heute

Navis) mit Blasius Farbmacher verheiratet war. Es ist anzunehmen, dass die Mutter, Maria Fidler (1.7.1648 - ?) danach bei der Tochter lebte.

Maurn gehörte zu der Pfarrei Steinach, direkt an der Brennerstraße, und liegt etwa 15 km nördlich des Brennerpasses.

Anlässlich seiner Hochzeit am 1.6.1704 in Frankenstein in der Pfalz mit Anna Barbara Bamßen, einer jungen Witwe, gibt er an, dass er


„Der Sohn des ehrenwerten Martin Stolz aus Moderin by Innßbruck“ sei.


Der erste Mann von Barbara Bamßen war Mathias Weinzer. Er ist wohl in jungen Jahren verstorben, möglicherweise durch einen Arbeitsunfall, weil man annehmen kann, dass er Holzfäller war. Die Geburtsdaten von Barbara sind nicht bekannt, Erasmus war bei der Heirat 23 Jahre alt, es ist anzunehmen, dass Barbara höchstens unwesentlich älter war.

"Moderin" ist eine Verballhornung von Maurn. Dank der Hilfe einer engagierten Familienforscherin aus Tirol, Frau Ursula Baldemaier, ist es gelungen, den Geburtsnachweis von Erasmus zu finden.

Erasmus hatte also etwas mehr als ein Jahr lang Zeit, von seiner Heimat in den, von dort aus gesehen, unwirtlichen Pfälzer Wald zu gehen. Über die Motive dieser Emigration kann man nur Vermutungen anstellen. Sicherlich war die Arbeit der Tiroler Bergbauern sehr beschwerlich. Immer wieder, auch in der damaligen Zeit, wurde das Land von Hungersnöten geplagt. Außerdem hatte er kein Zuhause mehr, sein Elternhaus war verkauft, er stand eigentlich auf der Straße. Tirol war, als Durchmarschland für alle möglichen Heerscharen, oft im Brennpunkt der großen Politik (der Brenner war die wichtigste Alpenüberquerung). So wurden um 1703 auch in Tirol Soldaten ausgehoben für den spanischen Erbfolgekrieg. Da wäre ein 23-jähriger junger Mann gerade recht gewesen. So ist er vielleicht ein Fahnenflüchtiger vor unsinnigem Kriegsgeschehen gewesen, was man aus heutiger Sicht nur als richtig bezeichnen kann. In der neuen Wahlheimat von Erasmus war der 30-jährige Krieg durchs Land gezogen und hatte es weitgehend entvölkert. Hier bot sich für junge, tatkräftige Männer eine echte Chance, einen Neubeginn zu machen.


Auch kann man über die Art der Reise nur Vermutungen anstellen. Die Brennerstraße, die praktisch an seiner Haustür vorbei führte, und die er mit Sicherheit gut kannte -möglicherweise hat er dort sogar bei den Transporten mit Pferdewagen einen kargen Nebenverdienst als Pferdeführer oder ähnlichem gehabt- bot eine gute Gelegenheit, auch

eine weite Reise anzutreten. Vielleicht verdingte er sich bei einem Transport von Venedig nach Augsburg als Pferdeknecht oder Hilfskraft und bezahlte damit seine Reise. Genaueres dazu ist nicht überliefert und muss unserer Fantasie überlassen bleiben.

Der Pfarrer von Frankenstein, der die Trauung dokumentierte, hat sich jedenfalls keine große Mühe gemacht, herauszufinden, wo der junge Mann herkam, den er gerade getraut hatte. Er schreibt, wie erwähnt, in der Heiratsurkunde, Erasmus gäbe an, er wäre der Sohn des ehrenwerten Martin Stolz aus „Moderin by Innßbruck“. Lange Jahre haben wir Moderin in Tirol gesucht und nicht gefunden. Erst im Januar 2006 entdeckte besagte Familienforscherin aus Innsbruck seine Geburtsurkunde, aus Moderin wurde Maurn und die Vorfahren konnten dann gesucht werden.

Man muss dem Pfarrer natürlich zugute halten, dass es sicherlich Verständigungsschwierigkeiten gab. Erasmus sprach wahrscheinlich seinen Tiroler Dialekt, der für Pfälzer Ohren nicht sehr eingängig ist. Man kann aus diesem Missverständnis schließen, dass Erasmus nicht schreiben konnte, sonst wäre ja die Möglichkeit gegeben gewesen, den Namen des Herkunftsortes aufzuschreiben. Möglicherweise aber war der genaue Ort dem Pfarrer nicht so wichtig.

Im Kirchenbuch von Bad Dürkheim ist angegeben, dass die Familie im „Finstertal“ zwischen Weidenthal und Frankenstein ansässig war. Heute ist das Finstertal ein unbewohntes Seitental. Allerdings ist bekannt, dass dieses Tal als Zufluchtort für die Leute im 30jährigen Krieg diente. Man kann also annehmen, dass dort Holzhütten gebaut waren. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass die arme Migrantenfamilie dort hauste.

Sie war nicht allein. So ist ein Stoltz Andreas genannt, der 1721 in der Erlenbach "in silva prope Frankenstein" (im Wald in der Nähe von Frankenstein) hauste und aus Oberbronn, Elsaß kam. Mit Sicherheit haben sich die Familien gekannt.

Es ist erstaunlich, dass zweimal der Name "Stol(t)z" in dieser einsamen Gegend aus ganz unterschiedlichen Gegenden kommend, auftaucht. Oder machte Andreas nur einen Umweg über das Elsaß und er kannte Erasmus aus Tirol?

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